Wiebke Ankersen UND Christian Berg

GESCHÄFTSFÜHRUNG ALLBRIGHT STIFTUNG

 F!F: Im Gegensatz zur deutschen Immobilienwirtschaft ist die Immobilienbranche in Schweden besonders fortschrittlich was den Anteil von Frauen in Führungspositionen betrifft. Was macht man dort anders? Und wie weiblich sind die Führungsebenen in den schwedischen Immobilienunternehmen? 

 

Wiebke Ankersen: In Schweden wurde im vergangenen Herbst tatsächlich eine erste gläserne Decke gesprengt: Die Immobilienunternehmen an der schwedischen Börse erreichen jetzt einen durchschnittlichen Frauenanteil von 40 Prozent in den Vorständen, in den Aufsichtsräten sind es 37 Prozent. Jeder vierte Vorstandsvorsitz ist mit einer Frau besetzt und es gibt kein einziges Immobilienunternehmen ohne Frau im Vorstand.


Das ist auch in Schweden nicht von allein passiert: 2012 lag der Frauenanteil in den Vorständen noch bei 18 Prozent. Die Branche hat aber sehr bewusst auf Gleichstellung gesetzt. Der letzte Schwung, die 40 Prozent zu erreichen, kam 2017, als vier Vorstandsvorsitzende und die Arbeitgeberorganisation der Immobilienwirtschaft in Zusammenarbeit mit der AllBright Stiftung eine Selbsterklärung unterzeichnet hat, in der sie sich unter anderem auf ein Ziel von mindestens 40 Prozent Frauen für ihre Vorstände festgelegt haben. Das gab sehr Anerkennung in der Presse und hat ja tatsächlich auch zum Erfolg geführt.

 

F!F: Kein einziges der deutschen DAX30-Unternehmen hat 30 Prozent Frauen im Vorstand. Damit liegt Deutschland hinter Industrienationen wie den USA (43 Prozent der Unternehmen haben einen 30-prozentigen Anteil), Großbritannien (33 Prozent), Frankreich (20 Prozent) und Schweden (17 Prozent) zurück. Warum tun sich deutsche Konzerne so schwer damit, Frauen in ihre Vorstände zu berufen?

 

Christian Berg: Die deutschen Unternehmen sind im internationalen Vergleich wenig veränderungsfreudig, die Unternehmenskultur ist unheimlich konservativ. Das gilt für die Digitalisierung ebenso wie für die Erneuerung der Führungsstrukturen mit diverseren Führungsteams. In den angelsächsischen Ländern und in Skandinavien ist die Kultur viel offener für Veränderungen, immer an der Frage orientiert: wie können wir noch besser werden, wie können wir uns weiterentwickeln? Da können deutsche Unternehmen viel lernen – auch, was eine inklusive Unternehmens- und Führungskultur betrifft.

 

F!F: Was raten Sie einem Unternehmen, das mehr Frauen in seine Führungspositionen bringen möchte, aber nicht weiß, wie es dieses Ziel erreichen soll? 

 

Wiebke Ankersen: Die schwedischen Immobilienunternehmen hatten sich in ihrer Selbsterklärung zu vier Maßnahmen verpflichtet, die zur Orientierung dienen können:

 

1. Genaue Analyse des Ist-Zustands 
Das A und O, bevor irgendwelche Maßnahmen beschlossen werden, ist natürlich eine gründliche Analyse: Wo im Unternehmen gibt es zu wenige Frauen und warum? Wo sind sie durch Strukturen benachteiligt? Und wie steht es um eine inklusive Kultur?

 

2. Chancengleichheit als strategisches Ziel mit eigenem Budget
Vielfalt und Chancengleichheit sind ein strategisches Unternehmensziel und müssen konsequent als solches behandelt, budgetiert und mit geeigneten Maßnahmen aktiv umgesetzt werden. 

 

3. Schulung von Führungskräften und Mitarbeitern
Eine inklusive Kultur entsteht nicht von allein. Schulungen von Führungskräften und Mitarbeitern zu inklusiver Führung, Arbeit in diversen Teams und unbewussten Vorurteilen sind eine wichtige Voraussetzung für eine Kultur, in der jeder sein volles Potential ausschöpfen kann.

 

4. Konkretes Ziel für den Vorstand: mindestens 40 In Vorstand/Geschäftsführung ist es besonders wichtig, einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent zu erreichen. Hier gilt der Leuchtturmeffekt: ein diverses Führungsteam gibt den Ton im Unternehmen vor. 

F!F: Sie sind Partner von FRAUEN !N FÜHRUNG. Warum unterstützen Sie die Initiative? 

 

Wiebke Ankersen: Wir sind eine gemeinnützige deutsch-schwedische Stiftung, die sich für mehr Frauen und Vielfalt in den Führungspositionen der Wirtschaft engagiert. Unsere Aufgabe ist es, Fakten zu präsentieren und ein Bewusstsein für problematische Strukturen zu schaffen. Wir schaffen Öffentlichkeit, wir sensibilisieren und wir fordern von den Unternehmen konkretes Handeln ein. Bei dieser Aufgabe braucht es tatkräftige Mitstreiter und der Ansatz von FRAUEN !N FÜHRUNG, branchenorientiert und gemeinsam mit den Unternehmen messbare Ziele und konkret umsetzbare Strategien zu entwickeln, ist goldrichtig.