Sebastian Humpert ist DGNB-Auditor und Co-Gründer von Braun & Humpert. Ursprünglich aus dem Bereich der erneuerbaren Energien kommend, nimmt er die Baubranche als das Sorgenkind der nachhaltigen Transformation wahr. Gemeinsam mit seiner Co-Gründerin Anne Braun will er nicht nur Projektentwickelnde und Kommunen zu echter Nachhaltigkeit befähigen und empowern. Echte Gleichstellung ist für ihn die Voraussetzung für den nachhaltigen Wandel in der Baubranche. Deshalb macht der zweifache Vater in seinen Beratungsprojekten immer wieder auf den Mehrwert von Perspektivenwechsel und Diversität in den Entscheidungen aufmerksam.
Sebastian Humpert, Foto: ©Lars Kaempf
„Machtstrukturen haben einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb, sie zu durchbrechen kommt einem Kampf gleich. Ich stehe dabei nicht nur am Seitenrand und schaue zu, ich kämpfe auch im eigenen Interesse, als Mann, als Mensch und als Vater von zwei Kindern.“
Was macht dich zum Male Ally?
Der Begriff Male Ally war mir neu und lange verstand ich den Bedarf nach geschützten Räumen und expliziter Sichtbarkeit nicht-männlicher Positionen nicht. Einfach, weil ich das Thema Gleichberechtigung für selbstverständlich hielt. Doch das ist es nicht, für andere bedeutet es vor allem den Verlust von Privilegien, der Gewinn wird nicht gesehen. Machtstrukturen haben einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb, sie zu durchbrechen kommt einem Kampf gleich. Ich stehe dabei nicht nur am Seitenrand und schaue zu, ich kämpfe auch im eigenen Interesse, als Mann, als Mensch und als Vater von zwei Kindern.
Warum ist unsere Welt ein besserer Ort, wenn Frauen und Männer gleiche Rechte und Chancen haben?
Es gibt viele Sichtweisen darauf, ethisch-moralische, persönlich-egoistische … Als Wirtschaftsingenieur nehme ich hier mal eine makroökonomische Perspektive ein mit einem Vergleich aus der Thermodynamik: Ein Ungleichgewicht aufrecht zu erhalten, erfordert immer Anstrengungen. Beim Kühlschrank zum Beispiel die elektrische Energie, um die Raumtemperatur nach unten zu senken. Gesamtgesellschaftlich betrachtet, büßen wir viele Ressourcen ein, die wir deutlich besser in die Mega-Probleme unserer Zeit stecken könnten. Darüber hinaus fehlen uns für unsere Entscheidungen die Perspektiven von Frauen, also von über 50 % der Menschen, die sie betreffen.
„Firmen, die sich mit dem Begriff ‚nachhaltig‘ schmücken, sollten das Thema Gleichstellung fest in ihren Unternehmenszielen verankern“
Warum braucht die Immobilienbranche mehr Frauen in Führung?
Zum einen wird die Qualität der Produkte, also unserer Gebäude und Lebensräume, deutlich zunehmen, wenn wir Perspektivwechsel in Machtpositionen ermöglichen. Zum anderen strahlt weibliche Führung auch nach innen. Führung, wie der Name schon sagt, gibt Richtungen vor. Und auch die konservativ geprägte Immobilienbranche darf sich neuen Richtungen nicht verschließen.
Was können Unternehmen dafür tun?
Sensibilität für die Hemmnisse schaffen, die eine Gleichstellung in Unternehmen blockieren. Und dazu insbesondere die Führungskräfte schulen. Wer sich mit dem Begriff „nachhaltig“ schmückt und die eigene Firmenkultur lobt und ein modernes Unternehmen sein möchte, sollte das Thema Gleichstellung fest in den Unternehmenszielen verankern und ernsthaft daran arbeiten. Das fängt mit einer Firmenkultur an, in der Sexismus, toxische Männlichkeit, Diskriminierungen aller Art keinen Platz haben.
Und was kann unsere Gesellschaft tun?
Übertrieben männliches Gebaren wird in unserer Gesellschaft zu oft mit „erfolgreich“ gleichgesetzt. Da müssen mehr Role Models her und andere, konternde Narrative.
Und was jede*r Einzelne?
Den Mund aufmachen. Die Angst, damit allein zu sein, stellt sich meist als unbegründet heraus. Meiner Erfahrung nach braucht es Keimzellen für solidarisches Verhalten oder Initiativen, die gestartet werden. Jede und jeder kann das machen.
„In der Gesundheitsökonomie gibt es das Konzept des ‚Nudging‘, also das sanfte Anstupsen“
Was tust du ganz konkret, beruflich und privat?
Die aktuelle Herausforderung bei mir ist sicherlich, die eigenen Ansprüche an die Arbeit und persönliche Entwicklung mit den Anforderungen der Familie unter einen Hut zu bekommen. Die individuellen Grenzen, Vorstellungen, Wünsche ständig neu auszuloten und das Gleichgewicht dabei nicht zu verlieren, ist in der Anfangszeit mit kleinen Kindern alles andere als leicht. Manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken, dass die klassischen Rollenbilder zumindest diesen ständigen Aushandlungsprozess ersparen – das ist natürlich zu kurz gedacht. Ich habe aber auch Verständnis für Familienkonstellationen, die das nicht auch noch leisten können.
Der Weg zu mehr Vielfalt in Führungsebenen geht nur gemeinsam. Wie gelingt es, die Männer mit an Bord zu holen?
In der Gesundheitsökonomie gibt es das Konzept des „Nudging“, also das sanfte Anstupsen. Männer in Machtpositionen immer wieder anzustupsen und von den Vorteilen der Gleichstellung zu überzeugen, klingt für mich nach einem guten Weg. Ab und zu braucht es dann nur noch richtige kräftige Schubser für die Harvey Weinsteins dieser Welt.
Welchen Tipp oder Gedankenanstoß würdest du als Male Ally gerne anderen Männern geben?
Beschäftige dich mit deiner eigenen Männlichkeit. Setz dich kritisch mit dieser dir gegebenen Rolle auseinander. Erst, wenn du um deine Privilegien weißt, kannst du Ungerechtigkeiten erkennen.
Frauen, von denen du Fan bist?
Fan im eigentlichen Sinne nicht, aber meine beiden Omas, Gerda und Emma, kommen dicht ran. 😊
Welche Frau wärst du gerne mal für einen Tag?
Annalena Baerbock im nicht öffentlichen Teil einer Klimakonferenz.
Hast du eine Superheldin, fiktiv oder real?
Die Figur, die Tilda Swinton spielt, im Film „We Need to Talk About Kevin”.
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