Johann Weiß
DFG-Forschungsgruppe TRANSARA (Uni Bonn), Wissenschaftlicher Mitarbeiter
IRE|BS Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg, Doktorand
shift development, Research Associate
freiberuflicher Berater und freier Immobiliensachverständiger
Johann Weiß ist seit 2016 in der Immobilienwirtschaft und -forschung tätig, ein wirklich diverses Führungsgremium ist ihm in dieser Zeit noch nicht begegnet. Vielmehr beobachtet er immer wieder machtpolitische „Revierkämpfe“, Grenzüberschreitungen in der Kommunikation und ein Top-Down vorgelebter Sexismus. Um sich von diesen patriarchalischen Strukturen und Verhaltensmustern abzugrenzen, ist ihm für die Gründung des eigenen Unternehmens ein inklusives Umfeld und Diversität im Team wichtig. Aktuell untersucht Johann die Transformation der sakralen Gebäudelandschaft in Deutschland, promoviert an der IRE|BS an der Universität Regensburg und entwickelt zusammen mit Shift Development in den kommenden Jahren kirchliche Bestandsimmobilien mit Social Impact.
Johann Weiß, Foto: ©Johann Weiß
„Erst wenn wir geschlechterspezifische Rollenbilder und Klischees abschaffen, fängt die Freiheit, das eigene Glück zu suchen und zu finden, wirklich an. Eine tolerante Gesellschaft ist nicht nur empathischer, sondern einfach glücklicher und somit automatisch besser.“
Was macht dich zum Male Ally?
Ein Male Ally setzt sich aktiv für Geschlechterparität und Gleichstellung ein. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen: ich setze mich nicht nur für Geschlechtergerechtigkeit, sondern schlichtweg für soziale Gerechtigkeit und Inklusion sowie Toleranz aller Lebensrealitäten ein. Jeder, der sich für eine freiheitliche und demokratische Gesellschaft einsetzt, sollte dieses Ziel aktiv verfolgen und bewusst gegen Diskriminierung, Hetze und Ausgrenzung vorgehen. Wer sich dem gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit und Toleranz verschließt oder diesen gar als „woken“ Blödsinn abtut, hat einfach den Schuss nicht gehört. Intoleranz darf nicht toleriert werden und Intoleranz ist auch keine valide Meinung. Dafür stehe ich mit allen Konsequenzen ein und ecke damit auch gerne an, selbst wenn dies, ohnehin nur kurzfristig, zu meinem Nachteil geschieht.
Warum ist unsere Welt ein besserer Ort, wenn Frauen und Männer gleiche Rechte und Chancen haben?
Diversität sorgt nicht nur für eine offenere Kommunikation und reicheren Austausch, sie fördert auch Innovation und treibt die Wirtschaft an. Erst wenn wir geschlechterspezifische Rollenbilder und Klischees abschaffen, fängt die Freiheit, das eigene Glück zu suchen und zu finden, wirklich an. Eine tolerante Gesellschaft ist nicht nur empathischer, sondern einfach glücklicher und somit automatisch besser.
„Warum sollten Frauen, um an die Spitze zu kommen, 10-mal härter arbeiten müssen, weil 9 von 10 Führungskräfte Männer sind?”
Warum braucht die Immobilienbranche mehr Frauen in Führung?
Die Zahlen sprechen für sich und halten sicherlich viele qualifizierte junge Frauen davon ab, ihr Glück in der Branche überhaupt zu versuchen. Warum sollten Frauen 10-mall härter arbeiten müssen, weil 9 von 10 Führungskräfte Männer sind, um an die Spitze zu kommen als Männer? Oftmals habe ich sogar von Seiten der Frauen das Argument gehört, dass sie ja nicht die „Quotenfrau“ sein wollen und sich lieber selbst einen Namen machen wollen. Bei Männern dagegen wird oft von Qualifikationen gesprochen, die die Frauen angeblich nicht mitbringen und deshalb nicht befördert werden. Im Ergebnis werden Frauen einfach Qualifikationen abgesprochen, obwohl schlichtweg die männlich geprägten Auswahlkriterien deren Aufstieg verhindern. Dieser schrägen Wirkungslogik können wir nur mit einem höheren Frauenanteil auf Entscheidungsebene beikommen.
Was können Unternehmen dafür tun?
Studien lesen und betriebswirtschaftlich handeln: Unternehmen mit Frauen in Führung, haben eine bessere Umwelt- bzw. Klimabilanz und fahren höhere Gewinne ein. Das sagt beispielsweise die Europäische Investitionsbank, deren Analysen bei Unternehmen mit gemischt besetzten Leitungsorganen höhere Eigenkapitalrenditen und geringeren Betriebsaufwand zeigen. Zudem scheinen Firmen mit Aufsichtsrätinnen und Managerinnen finanziell erfolgreicher zu sein und weniger Risiken einzugehen. Man sollte hier gegebenenfalls die Richtlinien der „Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns“ neu definieren.
Was Politik und Gesellschaft?
Toleranz fördern und Intoleranz abstrafen, sich auf Fakten konzentrieren und nicht Meinungen oder Gefühle mit Fakten verwechseln, keine populistische Narrative verbreiten, Medienkompetenz als Schulfach einführen und grundsätzlich mehr den ergebnisoffenen Dialog als die Spaltung suchen.
„Jede und jeder Einzelne sollte lieber einmal zu viel einen Self-Check machen als einmal zu wenig”
Und was jede*r Einzelne?
Verantwortung übernehmen, gegen Diskriminierung aufstehen und für andere einstehen. Man sollte grundsätzlich lieber einmal zu viel einen „self-check“ machen und seine Werte hinterfragen als einmal zu wenig. Das erfordert Mut und birgt natürlich das Risiko anzuecken, aber was ist der Mensch schon ohne seine Ecken und Kanten?
Was tust du ganz konkret (beruflich und privat)?
Ich denke, das drückt sich mehr durch mein Wesen aus, als dass ich konkret mit einem bestimmten Hintergedanken etwas tue. Ich höre Frauen grundsätzlich zu und respektiere sie, eben wie man es bei jedem Menschen tun sollte; Im Gegenzug hole ich mir natürlich auch öfter weiblichen Rat, als dass ich Männer konsultiere, wodurch deren Gedanken und Gefühle durch mich auch automatisch eine Bühne bekommen. Da sich mein persönliches Umfeld größtenteils aus Frauen zusammensetzt, reflektiere ich natürlich häufig meine Meinungen und Ansichten mit Freundinnen und Bekannten, um mein eigenes Bewusstsein zu schärfen. Ich hinterfrage auch im beruflichen Kontext des öfteren meine eigenen Aussagen und versuche gut gemeinte, aber „verniedlichende“ Aussagen wie zum Beispiel „der Flyer ist ja süß“ gegenüber Frauen zu unterlassen. Ich spreche aufbauend und wertschätzend mit Freundinnen und Kolleginnen über ihre Leistungen und versuche sie zu motivieren „mehr aus sich zu machen“, da Frauen meines Erachtens oftmals viel zu „tiefstapeln“, wenn es um Ihre eigenen Kompetenzen und Leistungen geht, nicht jedoch bei denen anderer Personen. Da ich Frauen grundsätzlich als angenehmere und empathischere Gesprächspartner wahrnehme, muss ich mich vermutlich fragen, ob ich zu wenig männlichen Input bekomme.
„Es braucht mehr Toleranz und Wertschätzung, auch gegenüber Männern, die Elternzeit machen und Care-Arbeit übernehmen”
Wann wurde dir klar, dass wir mehr Frauen in Führung brauchen? Gab es ein persönliches Schlüsselerlebnis?
Vermutlich als ich zum ersten Mal in irgendeiner Satire-Sendung die Statistiken dazu gesehen habe und mich gefragt habe, wieso meine Ansichten scheinbar so krass von der leider noch vorhandenen und oftmals eingestaubten Gesellschaftsnorm abweichen. Eines der Schlüsselerlebnisse war sicherlich die Bekanntschaft mit Anne Tischer und F!F und die zahlreichen Veranstaltungen, insbesondere die starke Podiumsdiskussion auf der Expo Real 2023.
Der Weg zu mehr Vielfalt in Führungsebenen geht nur gemeinsam. Wie gelingt es, die Männer mit an Bord zu holen?
Dazu kann ich leider nur Mutmaßungen anstellen, aber vermutlich werden wir – wie leider bei allen gesellschaftlich hochbrisanten Themen zurzeit – nicht um eine klare Regulatorik herumkommen. Verpflichtende, gemischte Doppelspitzen in Unternehmen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und auch mehr Toleranz und Wertschätzung, auch gegenüber Männern, die sich Elternzeit nehmen oder Care-Work übernehmen.
Welchen Tipp oder Gedankenanstoß würdest du als Male Ally gerne anderen Männern geben?
Man muss mit der Zeit gehen oder mit der Zeit gehen. Und bitte hört endlich auf, Frauen eine Schwangerschaft zu unterstellen, sobald sie beim Bewerbungsgespräch sitzen oder einmal auf einer Veranstaltung keinen Alkohol trinken. Und nein, Karrierefrauen sind nicht automatisch Rabenmütter und ein Kind sollte kein Grund für ein berufliches Abseits sein. Man sollte sich zudem fragen, was der bei „traditioneller Aufteilung“ der Care-Arbeit ggf. fehlende männliche Part in der Erziehung mit den eigenen Kindern macht, erfahrungsgemäß braucht es nämlich beide Elternteile.
Frauen, von denen du Fan bist?
Da haben mich schon einige auf meinem Lebensweg begleitet, aktuelle Beispiele aus meinem Berufsalltag sind Sandra Mück-Kullmann (IRE|BS), Anne Tischer (F!F)… und grundsätzlich alle Frauen, die für sich selbst einstehen. Beim F!F Netzwerktreffen auf der Expo Real 2023 durfte ich zuletzt einige davon kennenlernen.
Welche Frau wärst du gerne mal für einen Tag?
Das würde ich gerne dem Zufall überlassen, am besten so weit weg von meiner Lebensrealität wie möglich und mit einer Konfrontation mit allen Vor- und Nachteilen des Frau-Seins.
Hast du eine Superheldin, fiktiv oder real?
Lara Croft und als Antiheldin: Harley Quinn.
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