Das Topsharing-Tandem Lydia Leipert und Rebecca Zöller, auch „Lydecca“ genannt, hat viel gemeinsam: Beide (Jahrgang 1980) sind Journalistinnen und haben zwei Kinder. Beim Bayerischen Rundfunk teilen sie sich im Digitalbereich ein Teamlead. Ihr Fazit: Jobsharing ermöglicht es, auch in Teilzeit Karriere zu machen. Darüber hat das Duo ein Buch geschrieben: „Geteilte Arbeit, doppelt durchstarten!“
F!F: Vor fünf Jahren seid ihr recht spontan als Führungs-Tandem gestartet. Ist euer Buch die Betrachtung im Rückspiegel?
Rebecca: Als wir mit dem Jobsharing angefangen haben, war uns nicht so klar, dass man das ganz systematisch angehen kann. Für uns war das eine logische Art des Zusammenarbeitens. Aber wir haben schnell gemerkt, dass das wahnsinnig gut funktioniert, wenn man sich ein paar Gedanken dazu macht. Und wir haben tolles Feedback bekommen, im Haus, im Freundeskreis. Irgendwann hat Lydia gesagt: Wir müssen damit noch mehr rausgehen, lass uns ein Buch schreiben.
Lydia: Wir haben recherchiert: Was gibt es auf dem Markt? Es gibt Studien zu Jobsharing. Aber ein Buch, das erklärt, wie mache ich das eigentlich, gab es nicht.
Lydia Leipert und Rebecca Zöller, Foto: © Julia Bradley
F!F: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euch ein Teamlead zu teilen?
Rebecca: Das war nach dem zweiten Kind, bevor ich in die Redaktion zurückgekehrt bin. Die Stelle für das Teamlead war frei, und mein damaliger Chef fragte, ob ich mir das vorstellen könnte. Ich habe gesagt, ich würde so gerne. Aber ich schaffe es mit Baby und einer Zweijährigen nicht, 40 Stunden in der Woche oder mehr zu arbeiten. Dann habe ich Lydia im Italien-Urlaub angerufen, mitten in ihrer Elternzeit, und habe sie gefragt, ob sie Lust hätte, das mit mir zusammen zu machen. Mein Chef fand das total gut. Nach einer kurzen Bedenkzeit hat Lydia Gott sei Dank zugesagt. Vier Monate später haben wir zusammen losgelegt.
„Ich war nach dem ersten Kind froh, mehr oder weniger in eine Assistenz zurückkommen zu dürfen.“
F!F: Für viele bedeutet ein Wiedereinstieg in Teilzeit Rückschritt oder Stagnation. Habt ihr darüber nachgedacht, als ihr zum ersten Mal Mutter wurdet?
Rebecca: Überhaupt nicht! Ich war nach dem ersten Kind froh, mehr oder weniger in eine Assistenz zurückkommen zu dürfen. Vorher war ich Chefin vom Dienst. Man will mit kleinem Kind vielleicht auch nicht gleich 100 Stunden arbeiten. Aber heute ist es mir wichtig, dass man sich traut, Lösungen zu finden, wie man weiter eine verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben oder sich zumindest wieder dorthin arbeiten kann. Das hat ja auch mit Gehalt zu tun. Das muss man nicht automatisch aufgeben. Das habe ich wirklich erst durch unser Job-Sharing verstanden. Dass das eine Super-Möglichkeit ist, weiterhin aufzusteigen, Karriere zu machen.
F!F: Und zwar in Teilzeit, die eher mit „beschäftigt bleiben“ als mit „aufsteigen“ verbunden wird. Warum hat die Teilzeit einen schlechten Ruf?
Lydia: Da ist zum eine diese falsche Dankbarkeit, die Rebecca beschreibt, wenn man in Teilzeit arbeitet. Und in vielen Bereichen sind Unternehmen noch nicht so weit. Alle reden zwar von Fachkräftemangel, Frauenförderung, diversen Teams. Und dann sagen sie zu hochqualifizierten, motivierten Leute: Du bist ja in Teilzeit, dann geht das nicht. Das ist falsch! Man gibt sein Gehirn ja nicht an der Wickelkommode ab. Da muss noch viel mehr Selbstverständlichkeit her: Ihr habt zwar Kinder oder du betreust deinen Vater oder du hast ein aufwendiges Hobby. Aber natürlich bist du trotzdem eine tolle Führungskraft oder Mitarbeiterin.
„Von allem, was du lernst, bringst du etwas mit in deinen Job.“
F!F: Nicht nur trotzdem, sondern gerade weil?
Lydia: Genau, von allem, was du lernst, bringst du etwas mit in deinen Job. Wenn ich nur in meinem Büro sitze, Tag für Tag, und meine E-Mails abarbeite, trage ich die berüchtigten Scheuklappen.
Rebecca: Der Trend geht ja auch dahin, dass die Generation nach uns nicht mehr unbedingt 40 Stunden bei Daimler, Siemens oder beim BR arbeiten will. Weil ihnen andere Dinge auch wichtig sind und sie jetzt schon verstanden haben, dass sie vielleicht Familie haben werden. Um den Trend muss der Arbeitsgeber sich etwas überlegen. Dazu gehört auch unser geheimer Star der Arbeitswelt, das Job-Sharing.
F!F: Job-Sharing muss aber nicht Teilzeit bedeuten?
Lydia: Ja, Jobsharing bedeutet erst mal, dass sich zwei Menschen eine Position teilen. Aber Teilzeit und Jobsharing gehen oft zusammen. Das ist ein praktisches Modell, weil es viele Gründe gibt, warum jemand nicht in Vollzeit arbeiten möchte. Aber es gibt zum Beispiel auch Jobsharing-Modelle, wo beide 100 Prozent arbeiten. Wo sich etwa zwei eine Führungsposition teilen, je zu 50 Prozent. Die anderen 50 Prozent sind sie im operativen Geschäft.
„Ein Botschafter-Ehepaar teilt sich eine Stelle. Wenn die das schaffen, wer kann es dann nicht?“
F!F: Ihr beschreibt ganz unterschiedliche Tandems wie Senior und Nachfolgerin oder zwei Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen. Wie kontert ihr Ausflüchte: Das geht in dieser Position nicht?
Lydia: Man muss erst mal beweisen, dass es nicht geht. Vermeintliche Hürden – also rechtliche, finanzielle oder organisatorische – kann man nehmen. Wenn man will, geht es. Ein Botschafter-Ehepaar in Slowenien teilt sich eine Stelle, eine Repräsentation der Bundesrepublik. Ich meine, wenn die das schaffen, wer kann es dann nicht?
Rebecca: Es gibt sicher Pärchen, die nicht zueinander passen. Und man muss ein paar Dinge beachten, die ganz wichtig sind: Kommunikation, Vertrauen, Flexibilität. Ständig für Transparenz sorgen und dafür, dass kein Blatt zwischen das Pärchen passt. Trotzdem kann man auch scheitern. Aber man wächst an diesem Modell so sehr, dass es sich lohnt, es auszuprobieren.
„Beim Job-Sharing ist alles Kommunikation.“
F!F: Wir teilt ihr euch die Arbeit auf?
Rebecca: Wir sind ja im Digitalbereich für alle Online-Ausspielwege und Social Media bei Serien, Spiel- und Dokumentarfilmen verantwortlich. Bei uns ist es sinnvoll, uns nach Projekten aufzuteilen, wenn wir zum Beispiel eine Serie launchen oder ein Instagram-Projekt. Das sind nicht immer genau 50 Prozent, aber ungefähr. Unsere zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden auf diese Projekte aufgeteilt, für die man mal mehr, mal weniger zuständig ist. Die Andere wird bei wichtigen Dingen CC gesetzt, und es gibt eine wöchentliche Übergabe, in der wir uns gegenseitig updaten.
Lydia: Noch als Ergänzung: Während wir uns bei manchen Projekten aufteilen, gibt es auch Aufgaben, wo wir beide gleich verantwortlich sind und immer auf dem gleichen Stand sein müssen. Ein großes Projekt ist beispielsweise die Daily Soap vom BR, „Dahoam ist dahoam“, wo wir eigene Social-Kanäle haben und viel selber produzieren.
F!F: Wie organsiert ihr euch zeitlich?
Rebecca: Normalerweise arbeiten wir vormittags immer beide, eine zu Hause, eine im Büro. Einen Tag sind wir zusammen im Büro. Die Nachmittage teilen wir uns bereitschaftsmäßig auf. Freitags haben wir abwechselnd frei. Wenn wir mal was ändern, informieren wir unser Team. Beim Job-Sharing ist alles Kommunikation.
„Es ist essenziell, sich coachen zu lassen, gerade am Anfang.“
F!F: Was musste euer Team mit zwei Chefinnen lernen?
Rebecca: Zum einen die CC-Kultur. Wir mussten wirklich gebetsmühlenartig wiederholen, schreibt uns bitte beiden! Das ist ein technischer Lernprozess. Und dann gab es noch einen psychologischen, weil man in bestimmten Momenten merkte: Jetzt versucht der aber nur bei Lydia oder nur bei mir… Es wurde aber schnell klar, dass kein Weiterkommen ist, wenn man versucht, die Eine gegen die Andere auszuspielen, um für sich etwas rauszuholen.
F!F: Was hat euch beim Start als Tandem geholfen?
Lydia: Es ist essenziell, sich coachen zu lassen, gerade am Anfang. Wir hatten das Glück, gleich jemanden zur Seite zu bekommen. Um erst mal die organisatorischen Dinge zu klären, Strukturen aufzubauen. Und im nächsten Schritt zu definieren, für was wollen wir stehen, was ist unser Ziel? Mit dieser Vision sind wir dann vors Team getreten, damit alle dasselbe Ziel haben.
F!F: Ist es ein Vorteil, als Führungs-Duo befreundet zu sein?
Lydia: Wir werden oft gefragt, ob man befreundet sein muss, wenn man sich eine Stelle teilt. Wir glauben, nein. Bei uns ist es so. Das hat viele Vorteile. Hat aber, wenn es Konflikte gibt, auch Nachteile. Wenn man sich so nahe ist, tut man sich gerade beim Kritik äußern schwer. Ich habe es male eine Zeitlang nicht geschafft, mit einer Sache rauszurücken. In unserem wöchentlichen Update fragen wir uns jetzt immer: Wie geht es dir mit mir? So dass wir sofort eine Möglichkeit haben, schlecht laufende Dinge oder komische Gefühle anzusprechen. Auch das muss man halt lernen.
„Die Arbeit wird besser und macht mehr Spaß, wenn sie ins Leben passt.“
F!F: Vermutlich bereichert es vor allem, sich gegenseitig Feedback geben zu können?
Rebecca: Ja, total. Die Lydia hatte jetzt ein Riesenprojekt, wo es alleine auch schwierig geworden wäre, das operative Geschäft am Laufen zu halten. Gerade bei so großen Projekten, da sind viele Leute involviert, da geht es um Koordination, kleinteiligsten E-Mail-Verkehr. Da kann man die Andere auch mal hinzuziehen: Was meinst du? Da unterstützt man sich gegenseitig. Das ist einfach fürs Projekt und für den Menschen gut.
F!F: Strahlt eure Art der Zusammenarbeit auf euer Arbeitsumfeld ab?
Lydia: Ich glaube diese täglich offene, transparente Zusammenarbeit schafft eine Stimmung, in der sich jeder traut zu sagen, was er sagen möchte. Wenn eine von uns einen Vorschlag hat, heißt es nicht sofort: Finde ich super, weil hat die Chefin gesagt. Es gibt bei uns ein wenig hierarchisches Team, wo gemeinsam Dinge diskutiert und beschlossen werden.
Rebecca: Das Team bringt auch mehr Mut zu flexiblen Arbeitsweisen auf. Dann heißt es einfach: ,Das mache ich für den, der kann gerade nicht.‘ Oder wenn jemand mittags zum Arzt muss, braucht er keine offizielle Erlaubnis dafür. Muss ein Artikel geschrieben werden, ist es egal, ob er um 9 Uhr oder um 15 Uhr geschrieben wurde. Wir wissen ja: Die Arbeit wird besser und macht mehr Spaß, wenn sie ins Leben
passt.
„Auch eine Ehe ist im Zweifel besser, wenn beide sich selbstverwirklichen können.“
F!F: Ihr schreibt, Jobsharing macht glücklich.
Lydia: Ja, weil es einem wahnsinnig viel Druck nimmt. Dieses schreckliche Gefühl, nicht das bringen zu können, was geplant ist, weil es einen privaten Grund gibt, zum Beispiel ein Kind krank ist. Das hatte ich, bevor ich mit Rebecca zusammen gearbeitet habe. Heute kann ich völlig problemfrei sagen: Bitte übernehme. Diesen Druck nicht zu haben und gleichzeitig eine verantwortungsvolle Position auszuüben, obwohl man nicht 60 Stunden arbeitet: Das macht glücklich! Da ist eine Riesendankbarkeit gegenüber meiner fantastischen „Work Wife“ und meinem Arbeitgeber.
Rebecca: Auch eine Ehe ist im Zweifel besser, wenn beide sich selbstverwirklichen können. Hätte ich mein ganzes Leben nach den Kindern in einer Assistenz verbracht, hätte das etwas mit mir gemacht. Mein Mann ist ein großer Befürworter von unserem Jobsharing-Modell und überlegt selbstverständlicher, auch mal in Teilzeit zu gehen. Vergangenes Jahr war er zum Beispiel in Elternzeit und hatte eine Viertagewoche. Es ist ja wünschenswert, dass mehr Männer sich flexibel zeigen, mehr Care-Arbeit übernehmen. Und überlegen, ob sie nicht auch mal ein Jobsharing anstreben sollten.
Redaktion: Liane Borghardt
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