Anaïs Cosneau, 43, ist CEO von Happy Immo Club, einer digitalen Bildungs-Plattform von Frauen für Frauen zum Immobilien-Kauf. Gemeinsam mit Geschäftspartnerin Maya Miteva vermittelt Anaïs Teilnehmerinnen in Seminaren Wissen und Mut, in die erste eigene Wohnung zu investieren und so für ihre finanzielle Sicherheit vorzusorgen.
Nach 13 Jahren Führungs-Karriere in der Immobilienbranche mit Schwerpunkt Projektentwicklung und Aufbau neuer Geschäftsmodelle startete Anaïs im Jahr 2020 in die Selbstständigkeit. Als Gründerin von Happy Immo Club, als Aufsichtsrätin von Immofemme, einer Wohnungsgenossenschaft für Frauen, als Vorständin der Baugenossenschaft begeno16 oder als Podcasterin widmet Anaïs sich den Themen, für die sie brennt: Gleichberechtigung, finanzielle Unabhängigkeit sowie lebenswerte, durchmischte Städte.
Anaïs Cosneau, CEO Happy Immo Club
Anaïs hat Architektur studiert und ein Master-Programm in Real Estate und Construction Project Management absolviert. Die dreifache Mutter lebt mit ihrer Familie in Berlin.
F!F: Mit Happy Immo unterstützt ihr Frauen beim Wohnungskauf. Aktuell kaufen rund doppelt so viele Männer eine Immobilie wie Frauen.
Anaïs Cosneau: Ja, und es gibt noch andere aufschlussreiche Studien zu diesem Thema: Bei der Suche nach Wohneigentum ist die Verteilung von Männern und Frauen noch fifty-fifty. Aber auf dem Weg zum Kauf verlieren sich die Frauen. Das heißt: Entweder suchen Frauen die Wohnung für ihre Männer. Oder sie trauen sich am Ende nicht, zu kaufen.
Wenn Frauen kaufen, dann vor allem zusammen mit ihrem Partner. Hauptsächlich für die eigene Nutzung und nur selten als Rendite-Objekt. Das ist schade! Männer machen das. Ich hatte Freunde, die zusammen ein Mehrfamilien-Haus gekauft und daraus einen coolen Ort gemacht haben. Aber eben keine Freundinnen.
F!F: Wie erklärst du dir dieses Gefälle?
Anaïs Cosneau: Ich denke, mit Frauen wird von klein auf weniger über Geld gesprochen. Später reden sie dann untereinander auch kaum über Investments. Schließlich verdienen Frauen im Schnitt auch nicht so viel wie Männer. Wir kennen die Studien zu den finanziellen Lücken, die sich im Leben von Frauen auftun: Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Gender Lifetime Earnings Gap, Gender Pension Gap... Also, wenn eine Frau mehr zu Hause für die Familie arbeitet, hat sie weniger Geld zum Investieren. Und weniger Zeit, sich auch noch um Investments zu kümmern.
„Wer finanziell schlecht aufgestellt ist, beschäftigt sich nicht gerne damit.“
F!F: Warum thematisieren Frauen dieses Problem nicht stärker?
Anaïs Cosneau: In der Psychologie spricht man vom Vogel-Strauß-Syndrom. Wenn man irgendwo nicht erfolgreich ist, fällt es schwer, sich das Problem genau anzugucken und zu lösen. Prüfung verhauen, Konto in den Miesen – wir alle kennen das. Wer finanziell schlecht aufgestellt ist, beschäftigt sich nicht gerne damit. Statt das Problem als Wegweiser zu nehmen. Dazu glauben viele Frauen irrtümlicherweise, dass sie sehr viel Geld mitbringen müssen, um eine Immobilie zu kaufen.
F!F: Kannst du das genauer ausführen?
Anaïs Cosneau: Wenn du eine Immobilie für 200.000 Euro kaufen willst, musst du – je nach Marktlage – sagen wir mal nur zehn Prozent Eigenkapital mitbringen. Also etwa 20.000 Euro Eigenkapital, um eine Immobilie für 200.000 Euro zu kaufen. Die vermietest du smart, so dass die Miete deine Finanzierung und Nebenkosten trägt. Das nennt man den Hebeleffekt: Du musst nur einen Bruchteil des Kaufpreises selbst aufbringen, den Großteil finanzierst du über eine Hypothek.
F!F: Empfiehlst du deshalb ,Beton-Gold‘ als wichtige Säule für die finanzielle Absicherung?
Anaïs Cosneau: Insgesamt würde ich diversifizieren, also möglichst auch in ETFs, Aktien, Gold und eben Immobilien investieren. Aber bei Immobilien macht man einfach das Meiste aus seinem Geld. Wenn deine Immobilie nach 20, 30 Jahren abbezahlt ist, bekommst du die in der Regel steigenden Mieteinnahmen als passives Einkommen. Plus: Der Wert der Immobilie, für die nur einen Bruchteil bezahlt hast, ist gewachsen. Das ist der Clou, den man einmal begreifen muss. Bei Immobilien finde ich außerdem toll, dass man sie anfassen, etwas daraus machen kann.
„Auch mit einer kleinen Wohnung kann man viel bewirken. Und wenn 20 Millionen Frauen das Gleiche tun, ist das ein Riesen-Impact!“
F!F: Der Claim auf eurer Website lautet ,Schnapp dir dein Stück Stadt‘. Da schwingt auch Gesellschaftspolitik mit.
Anaïs Cosneau: Genau. Gerade hier in Berlin schimpfen viele über die Immobilien-Branche, die Immobilien-Haie, die hohen Mieten. Wir sagen ,Schnapp dir dein Stück Stadt‘ und meinen damit: Sei Teil der Branche und mache es besser! Kaufe eine kleine Wohnung und vermiete sie sozial an Menschen, die sonst vielleicht keine Wohnung bekommen, zu dem Zins, der dir passt. Zum Beispiel an eine Frau, die sich gerade getrennt hat, oder an eine alleinerziehende Mutter. Wenn du Wert auf Nachhaltigkeit legst, benutze die ökologische Wandfarbe und das regional gefertigte Parkett. Auch mit einer kleinen Wohnung kann man viel bewirken. Und wenn 20 Millionen Frauen das Gleiche tun, ist das ein Riesen-Impact!
F!F: Waren solche Gedanken zündend für die Gründung von Happy Immo?
Anaïs Cosneau: Meine Geschäftspartnerin Maya und ich wollten zusammen etwas kaufen, sind viel zu Besichtigungen gegangen und haben da wirklich nie andere Frauen getroffen. Und wir beide kannten ,Madame Moneypenny‘, Kurse zur finanziellen Bildung für Frauen. Das fanden wir beide gut und dachten, etwas in der Art müsste man auch für den Immobilien-Kauf anbieten. Es gibt zwar viel zum Thema, aber nichts, was uns angesprochen hat. Wir wollten es ein bisschen bunter, stylischer, kürzer und knackiger, wirklich ,hands on‘. Das alles zusammen hat zur Initialzündung geführt: Komm, wir gründen.
F!F: Man merkt, dass ihr dem Thema bewusst Leichtigkeit gebt. Fehlt es Frauen beim Wohnungskauf eurer Erfahrung nach letztlich eher am Mut als am Geld?
Anaïs Cosneau: Ich denke, vor allem am Mut. Es heißt ja oft, dass sich in Partnerschaften die Frauen durchsetzen, beispielsweise wenn es um Einrichtungsfragen geht. Aber bei ihrer Investment-Entscheidung lassen Frauen sich von ganz vielen Leuten reinreden. Aus Angst, etwas falsch zu machen. Das erleben wir bei uns im Club häufig. Es gab nicht nur eine Teilnehmerin, die eine Wohnung gefunden hatte, die sich wirklich rechnete, das Finanzierungsangebot war gut. Und dann ließ sie sich von ihrem Lebenspartner plötzlich völlig verunsichern. Aber dafür haben wir ja auch Happy Immo und sind zurzeit noch ,female only‘: Zweifel kann man in der Frauen-Gruppe teilen, dann schauen wir gemeinsam darauf.
„Ein Objekt, das sich jetzt rechnet, rechnet sich bei sinkenden Zinsen allemal.“
F!F: Ihr seid quasi Mentorinnen?
Anaïs Cosneau: Absolut. Thematisch haben wir den Wohnungskauf in elf Schritte eingeteilt, es gibt Videos zu Suche, Finanzierung, Kaufvertrag, Mietvertrag und so weiter. Das ist super, aber man könnte dieses Wissen theoretisch auch googeln oder in Büchern nachlesen. Das Allerwichtigste sind wirklich unsere Whatsapp-Gruppen, unsere wöchentlichen Gruppen-Calls und die one-on-one-Calls mit Maya und mir. Wir nehmen die Kurs-Teilnehmerinnen an die Hand und lassen keine Frage unbeantwortet. So dass sie am Ende wissen, wie man kauft und selbst prüft, ob sich ein Investment rentiert.
F!F: Würdest du mit Blick auf höhere Hypothekenzinsen aktuell zur Zurückhaltung raten?
Anaïs Cosneau: Warren Buffett hat gesagt: ,Sei ängstlich, wenn andere gierig sind und sei gierig, wenn andere ängstlich sind.‘ Da ist viel dran. Ein Objekt, das sich jetzt rechnet, rechnet sich bei sinkenden Zinsen allemal. Da gibt es gar nichts zum Ausreden.
F!F: Welche möglichen Fallstricke können Eigentümer:innen leicht umgehen?
Anaïs Cosneau: Viele geraten bei der Wohnungsverwaltung unter Stress, beispielsweise wenn die Nebenkostenabrechnung nicht rechtzeitig gemacht ist. Da gibt es professionelle Hausverwaltungen, die einem das für durchschnittlich 25 Euro im Monat abnehmen. Und auch Kostenvoranschläge für Reparaturen einholen oder schauen, ob die Miete eingegangen ist. Das ist eine Riesen-Erleichterung. Für rund 300 Euro im Jahr braucht man nicht selbst viele Stunden in die Verwaltung zu stecken.
„Ein sehr guter Zeitpunkt für den Wohnungskauf ist die Elternzeit.“
F!F: Stichwort Rücklagen: Die Sorge vor plötzlichen Reparaturen oder Mietausfall ist berechtigt.
Anaïs Cosneau: Man sollte natürlich zusehen, dass die Miete nicht nur Zins und Tilgung, sondern eben auch Rücklagen und Mietausfall trägt. Aber das ist nicht so viel: Je nach Alter des Gebäudes sollte man im Schnitt zehn Euro pro Quadratmeter für Renovierungen im Jahr zurücklegen und für Mietausfall ungefähr drei Prozent der Miete monatlich. Ein guter Kniff ist auch, sich direkt bei Wohnungskauf ein Konto zur Sicherheit zuzulegen, auf dem man 5.000 Euro parkt. Die Wohnungen, über die wir hier reden, sind meist für 600 bis 1.000 Euro im Monat vermietet. Selbst wenn ein solches Apartment fünf Monate leer stünde, was sehr lang ist, würde man keine Millionen-Beträge verlieren.
F!F: Es gibt ja immer wieder TV-Formate, die vorführen, wie der Wohnungstraum in Überschuldung endet.
Anaïs Cosneau: Da geht es in der Regel um viel mehr Geld, weil es sich um Eigenheime handelt. Ein Fehler beim Investment kann sein, das gesamte Eigenkapital auf eine Immobilie zu setzen. Ich würde immer empfehlen, mit einer kleineren Kapitalanlage zwischen 100.000 und 150.000 Euro anzufangen. Rücklagen für ein 40-Quadratmeter-Appartment sind wie gesagt überschaubar.
F!F: In welcher Lebensphase sollten Frauen am besten in eine Immobilie investieren?
Anaïs Cosneau: Eigentlich ist es etwas für jede Lebensphase, alles zwischen 18 und 59 Jahren passt gut. Mit 18 hat man in der Regel noch kein Geld. Aber Eltern könnten ihren Kindern als vorgezogenes Erbe Eigenkapital für den Wohnungskauf überlassen. Den Kredit können sie dann in zwei, drei Jahrzehnten entspannt tilgen. Einen besseren finanziellen Start ins Leben kann ich mir gar nicht vorstellen. Wer im Rentenalter von dem passiven Einkommen leben möchte, sollte mit spätestens 50 investieren. Dann hat man noch zehn, 15 Jahre zum Abbezahlen. Sonst muss man mit viel Eigenkapital kaufen.
Ein sehr guter Zeitpunkt für den Wohnungskauf ist die Elternzeit: Falls einer der beiden Partner mehr für die Familie zurücksteckt oder Teilzeit arbeitet, kann er oder sie die finanzielle Lücke später über die Mieteinnahmen auffüllen.
F!F: Kinder und Karriere: Wie bringen beide Partner das aus deiner Sicht gut zusammen?
Anaïs Cosneau: Mein Tipp Nummer eins: Wenn ihr euch Kinder wünscht, just do it. Zweitens: Macht alles fifty-fifty, ihr seid ein Team. Schmeißt euer Geld zusammen. Damit meine ich nicht nur den monatlichen Cashflow auf einem gemeinsamen Konto, denn da sind Rentenansprüche und Investments nicht mit berücksichtigt. Schmeißt genauso eure Arbeit zusammen: Beide Partner können Karriere machen, beide können die Care-Arbeit zu Hause leisten, von Anfang an gleich gut Windeln wechseln oder trösten. Da sage ich ausdrücklich auch zu den Männern: Traut euch, kämpft für eure Rechte! Ihr seid tolle Väter, und eure Kinder brauchen euch.
F!F: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Liane Borghardt.
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