NEWS 8.3.2022 

PRESSEMITTEILUNG

Mehr Frauen in Führung in der deutschen Immobilienwirtschaft – Wie gelingt der Wandel?

  • Studie zeigt: Hot Topic für junge Talente und Frauen 
  • Handlungsbedarf groß, aber zu wenig konkrete oder reine Alibi-Maßnahmen
  • Karrierehürden für Frauen: Zugang zu Netzwerken, unzureichende weibliche Perspektiven in Unternehmenskultur und Personalentscheidungen  
  • Weichen stellen mit messbaren Zielen, Budgets und Fokus auf Nachhaltigkeit 

München, 8. März 2022 –

Zum Anteil von Frauen in Führungspositionen zeigt eine Untersuchung*, dass in den 100 größten Unternehmen der Immobilienwirtschaft dieser mit rund 30 % nicht nur gering ist, sondern mit zunehmender Hierarchiestufe deutlich abnimmt und bei nur 12 % in der 1. Führungsebene liegt. Viele Studien belegen die Vorteile von gemischten Führungsteams: mehr Wachstum bei Umsatz und Gewinn, höhere Innovationsfähigkeit von Unternehmen, größere Flexibilität im Umgang mit einem sich schnell wandelnden Marktumfeld, geringe Fluktuation durch zufriedenere Beschäftigte, mehr Akzeptanz bei Kunden und Kundinnen und ein positiveres Image in der Öffentlichkeit. 

 

Anne Tischer und Ingeborg Maria Lang, FRAUEN !N FÜHRUNG (F!F): „Warum tut sich in den Führungsebenen der Immobilienwirtschaft in punkto Frauen dennoch kaum etwas? Diese Frage stand im Mittelpunkt unserer aktuellen Studie.“ Dafür haben apl. Prof. Dr. Stephanie Birkner von Zukunft.unternehmen, einem An-Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, und Prof. Dr. Tobias Just von der IREBS Immobilienakademie der Universität Regensburg die qualitative und quantitative Analyse gemeinsam mit ihren Teams konzipiert und durchgeführt**. Gefördert wurde die Untersuchung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

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Mehr Frauen in Führung in der deutschen Immobilienwirtschaft – Wie gelingt der Wandel?
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Hot Topic für junge Talente und Frauen, aber kein Thema für männliche Entscheider

Zentrales Ergebnis ist, dass das Thema „Mehr Frauen in Führung in der deutschen Immobilienwirtschaft“ ein Hot Topic für junge Talente und Frauen ist. An der Umfrage zeigten vor allem Frauen und junge Menschen Interesse. Am wenigsten beteiligten sich ältere, männliche Führungskräfte. Von den 593 Teilnehmer*innen waren nur 79 und damit 13,3 % männlich, darunter nur 11 Männer über 55. Mit 33,9 % sind die meisten der Befragten zwischen 35 und 44 Jahre.

 


Tischer: „Männliche Entscheider sind diejenigen, die in nahezu allen Unternehmen über die Besetzung hoher Führungspositionen bestimmen. Wenn sie sich für die Frage, wie mehr Frauen in Führung kommen, nicht interessieren, scheint es wenig aussichtsreich darauf zu hoffen, dass gerade sie es sind, die einen schnellen Wandel zu mehr Frauen in Führung mit den dafür nötigen konkreten Zielen, Maßnahmen, Strategien und Budgets vorantreiben.“

 

Handlungsbedarf groß, aber zu wenig konkrete oder reine Alibi-Maßnahmen


Frauen schätzen die Benachteiligung des eigenen Geschlechts in den Führungsetagen höher ein als Männer, sie nehmen stärkere Hemmnisse wahr. 90,6 % der Teilnehmerinnen sehen Frauen benachteiligt bzw. eher benachteiligt, während die Männer die Benachteiligung von Frauen nicht so hoch einschätzen. 37,5 % sehen sogar eine vollkommene Gleichstellung. Die Teilnehmerinnen sehen mit 87,4 % einen starken Handlungsbedarf während die Teilnehmer mit 57,6 % nur einen moderaten Bedarf sehen.

 


Männer sehen kaum Hindernisse für Karriere

Männliche Führungskräfte sehen mehrheitlich (60%) kein Hemmnis für ihre Karriere. Das sehen für sich nur ein Drittel der befragten weiblichen Führungskräfte so. Circa 35 % des männlichen Nachwuchses geben an, dass eine Führungsposition zu erreichen, ein normaler Schritt in der persönlichen Entwicklung sei. Im Vergleich dazu geben dies nur circa 26 % des weiblichen Führungsnachwuchses an.

Die am stärksten hemmenden Faktoren für weibliche Führungskräfte waren familiäre Gründe (26,1%), zu hoher Zeitaufwand (26,1%) und zu hoher Erfolgsdruck (23,3%).

 

Frauen im Vorteil bei Führung der Next Generation: Vom Ich zum Wir


Frauen stellen in der quantitativen Befragung tendenziell die Bedeutung von Führungskompetenzen auf zwischenmenschlicher Ebene heraus: zu kommunizieren, empathisch zu sein und andere zu motivieren sind für sie die wichtigsten Leadership Skills. An einer Führungsrolle reizt junge Frauen am meisten, andere zu fördern und Dinge bewegen zu wollen. Und: Frauen sprechen in den Interviews für die Studie häufiger vom „Wir“- als vom „Ich“. Junge Männer motiviert an Führung am meisten, sich persönlich besser zu stellen und einen Mehrwert zu schaffen.

 

„Frauen bringen somit beim Führungsstil deutliche Vorteile für Unternehmen mit, die mit Blick auf die Next Generation und die Notwendigkeit, nachhaltige, an langfristigen Zielen ausgerichtete Entscheidungen zu treffen, an Bedeutung zunehmen: Weg von der egozentrischen Unternehmens- hin zu einer Team-Kultur. Andere zu fördern, ist eine essentielle Führungskompetenz, da vor allem jüngere Generationen auf Feedback, berufliche Entwicklungsperspektiven und Mitsprache Wert legen. Im Wettbewerb um Talente haben weibliche Führungskräfte damit die Nase vorn“, so Tischer. Und Lang weiter: „Das Motiv männlicher Nachwuchskräfte, sich durch eine Führungsposition persönlich besser zu stellen, wirkt fragwürdig und aus der Zeit gefallen. Angesichts großer ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen wie z.B. Klimaschutz,  sozialer Zusammenhalt und die Akzeptanz der Branche in der Öffentlichkeit braucht Führung heutzutage Menschen, die ihr Handeln an den Interessen von Unternehmen, Beschäftigten und Gesellschaft ausrichten.“

 

Entscheider sind sich Karrierehürden für Frauen bewusst, tun aber zu wenig

Die Eigeninitiative, die Männer für die Karriere aufbringen müssen, wird als geringer im Vergleich zu Frauen eingestuft. 41,6 % der Teilnehmerinnen geben „moderat“, 28,3 % „eher hoch“ und 12,6 % „hoch“ an. Bei den Teilnehmern stimmten 36,4 % für „hoch“ und jeweils 21,2 % für „moderat“ und „eher hoch“. Sogar die Männer selbst bewerten also die notwendige Initiative von Frauen Karriere zu machen höher als die eigene. Obwohl sich alle Beteiligten bewusst sind, dass Frauen höhere Hürden haben, passiert wenig, um sie abzubauen. Prof. Dr. Tobias Just, wissenschaftlicher Leiter IRE|BS Immobilienakademie und Lehrstuhlinhaber für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg: „Das für mich bemerkenswerteste Ergebnis der Befragung war, dass bei der Frage nach dem notwendigen Engagement nicht nur Frauen, sondern auch die Männer zugestanden, dass Frauen im Durchschnitt mehr leisten müssten, um voranzukommen.“

 

Karrierehürden für Frauen: Zugang zu Netzwerken, unzureichende weibliche Perspektiven in Unternehmenskultur und Personalentscheidungen 

Die Gründe für den langsamen Wandel hin zu mehr Frauen in Führungspositionen sind vielfältig.  61,7 % der weiblichen und 42,6 % der männlichen Befragten sehen in männlich dominierten Netzwerken einen wichtigen Grund dafür. Auch eine männlich geprägte Kommunikationskultur im Unternehmen und der Fakt, dass Personalentscheidungen überwiegend bei Männern liegen, werden von den Teilnehmer*innen als bedeutend erachtet. Jeweils circa 40 % der weiblichen Befragten sehen den langsamen Wandel in der fehlenden Frauenförderung, fehlenden Vorbildern, einem Führungsmindset, das Frauen nicht anspricht, sowie der mangelnden Unterstützung von Frauen untereinander begründet. 36,1 % der männlichen Befragten geben den relativ kleinen Anteil an Frauen in der Immobilienwirtschaft als Grund für den langsamen Wandel an.

 

Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ: „Frauen machen häufiger Abitur, studieren häufiger und machen die besseren Abschlüsse. Doch mit der Geburt des Kindes wandelt sich das Bild: Frauen bleiben zu Hause, Männer machen Karriere. Die einen machen Überstunden, die anderen dequalifizieren sich in den Augen von Personalern. Hier brauchen wir ein gesellschaftliches Umdenken. Dazu gehört die paritätische Aufteilung der Care-Arbeit, aber auch, dass Unternehmerinnen und Unternehmen soziale Kompetenz als ein wichtiges Qualifikations-Kriterium für Führung ansehen.“ 

 

Fazit

Die Branche, und damit jedes Immobilienunternehmen, hat eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Gerade im Hinblick auf die anstehenden Reporting-Pflichten zur Messung und Erfüllung einer nachhaltigen Ausrichtung (ESG-Taxonomie) wird der Druck größer und das nicht nur von rechtlicher Seite, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit wird lauter. „Bei Lippenbekenntnissen oder einer reinen Reporting-Pflicht darf es nicht bleiben, denn Papier ist geduldig. Vielmehr braucht es  konkrete und messbare Maßnahmen, um eine Veränderung des Status Quo zu erreichen und einen positiven, sozialen Impact zu schaffen“, sind sich Tischer und Lang sicher.

 

Frauenförderung muss deswegen als strategische Größe in die Zielerreichung von Vorständen und Führungskräften aufgenommen werden. Auch die Bonussysteme sollten sich daran orientieren. Dabei müssen Ziele definiert werden für den konkreten Frauenanteil auf allen Ebenen, verpflichtende Trainings für alle Führungskräfte zum Abbau von Vorurteilen (Bias-Trainings) durchgeführt und gesetzliche Vorgaben (Quoten) zur Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen mit Frauen sowie anderen unterrepräsentierten Gruppen umgesetzt werden.

Es braucht Anreize für die gleichberechtigte Care-Arbeit von Männern und Frauen. „Denn auch unsere Studie zeigt deutlich: Die Hauptlast familiärer Sorgearbeit liegt auch in der Immobilienbranche bei den Frauen. Es braucht sowohl politische Impulse zur Förderung gleich langer Elternzeit als auch ein aktives Einfordern geteilter Sorgearbeit von Vätern in den Unternehmen. Sichtbarkeit von Vorbildern in Unternehmen und eine gezielte Kommunikation durch die Unternehmensführung unterstützen die Veränderung. Steuerlich begünstigte Ungleichheit im Einkommen von Paaren (Ehegattensplitting) verstärkt geringere Erwerbstätigkeit, Einkommen und Rentenansprüche von Frauen und sollte abgebaut werden“, so Tischer und Lange abschließend.

 

* Rudolph (2020)

** Die Studie wurde 2021 durchgeführt. Das Forschungsdesign baut auf einem mehrstufigen Ansatz auf. Die Vorstudie von Rudolph bereitete den aktuellen Stand der Forschung und die Problemstellungen auf und führte Experten- und Expertinnen-Interviews durch, um Hypothesen aufzustellen. Die anschließende Hauptstudie kombinierte qualitative mit quantitativen methodischen Analysen. Zunächst wurden 16 circa einstündige Interviews mit weiblichen und männlichen Nachwuchs- und Führungskräften der deutschen Immobilienbranche im Frühjahr 2021 geführt, um prüfbare Hypothesen aufzustellen und Fokusthemen zu isolieren. Die Interview-Transkripte wurden zusätzlich einer Sentimentanalyse unterzogen und hinsichtlich Wortzahlen und Prioritäten untersucht. Die gewonnenen Hypothesen wurden im Sommer 2021 mithilfe eines Fragebogens quantitativ geprüft und über Verteilernetze sowie soziale Medien gestreut, an der Umfrage beteiligen sich knapp 600 in der Branche Beschäftigte.

 

 

Über FRAUEN !N FÜHRUNG (F!F)

F!F ist eine Initiative für mehr Frauen in Führungspositionen in der deutschen Immobilienwirtschaft und wurde 2019 gegründet. F!F setzt sich für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Führungsebenen der Unternehmen und einen kulturellen Wandel zu mehr Diversität und gerechten Karrierechancen ein. Damit will F!F beitragen, die Branche attraktiver für Talente, sozial nachhaltiger und innovativer zu gestalten. Die Initiative steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, persönliche Schirmherrin ist Staatssekretärin Anja Hajduk. www.frauen-in-fuehrung.info 

 

Pressemitteilung und Bildmaterial in printfähiger Auflösung: https://drive.google.com/drive/folders/1EOw9c30TMRMmmgA2Yi5w13tdKdlHmHaS?usp=sharing


 

Medienkontakt:


Anne Tischer


Vorsitzende FRAUEN !N FÜHRUNG (F!F)


T +49 (0)160 94865548


anne.tischer@frauen-in-fuehrung.info 

 

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